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Tamalan Theater forscht

Im Herbst 2020 erhielten wir innerhalb kurzer Zeit viele Buchungsanfragen für die Vorweihnachts-Spielzeit November/Dezember 2020. Ungewöhnlich war, dass viele Schulen trotz widriger Umstände angefragt hatten. Aufgrund der Corona-Krise mussten Hygienekonzepte abgeglichen werden, Lüftungszyklen erdacht und Sitzordnungen und Ein- und Auslasswege markiert werden. Theateraufführungen waren (derzeit) nur für kleine Gruppen zugelassen (Kohortenregelung). Wir veränderten unser Theaterstück, um vier kürzere Vorstellungen an einem Vormittag zeigen zu können. Um trotzdem ein umfassendes Theatererlebnis zu gewährleisten, standen wir während der Inszenierung in engem Kontakt zu den Lehrerkollegien und zu befreundeten SchauspielerkollegInnen.

Die Aufführungen in der Vorweihnachtsspielzeit konnten dann bekanntermaßen aufgrund des Lockdowns nicht stattfinden. Die Beschäftigung mit Theater und Schule und der Dynamik und Chancen von darstellendem Spiel in pädagogischen Einrichtungen führte uns schliesslich zu unserem Forschungsprojekt Theater in der Schule: Möglichkeiten – Ziele – Visionen.

Das Projekt wurde gefördert von den Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Vielen Dank!


Theater in der Schule: Möglichkeiten - Ziele - Visionen

Inhaltsverzeichnis

1. Vorüberlegungen

2. Unsere Theatergeschichten: Märchen im Wandel der Zeiten
    2.1 Literatur, bevor es Literatur gab
    2.2 Wie hier so da
    2.3 Wie innen so aussen
    2.4 Hausmärchen und Kunstmärchen
    2.5 Unsere Erfahrungen mit Märchen

3. English theatre
    3.1 Märchen als didaktische Methode
    3.2 Viele Lehrpläne, trotzdem Parallelen?
    3.3 Entertaining kids or children?
    3.4 Begleitmaterial – Zugang zu mehr?

4. Wie IST Theater in den Schulen (aus der Sicht der Schulen)
    4.1 Lehrpläne über Theater, darstellendes Spiel und Märchen
    4.2 Drei Lehrkräfte erzählen
    4.3 Drei Schüler erzählen
    4.4 Theaterprojekte in Schulen

5. Wie IST Theater in den Schulen (aus der Sicht der Theater)
    5.1 Eine Theatergruppe tritt auf
    5.2 Neue Theaterformen
    5.3 Klassische Theaterformen
    5.4 Elemente der Theatermusik (über die Möglichkeiten von Theatermusik)

6. Aussichten: Vor- und Nachprogramm

7. Schlussbetrachtungen

8. Literatur


1. Vorüberlegungen


Wenn wir „Theater in der Schule“ hören, tun sich zunächst zwei Themenbereiche auf:

- SchülerInnen sehen ein Theaterstück – Lern- und Wissensvermittlung erfolgt durch das Erleben einer von anderen dargebotenen Inszenierung
- SchülerInnen erarbeiten ein Theaterstück, und führen es auf – Lern- und Wissensvermittlung erfolgt durch Selbsterfahrung

Beide Bereiche bezeichnen Theater in der Schule, sind aber doch unterschiedlich.

Bei Ersterem werden Inhalte (oder Programme) präsentiert, die den Kinder Wissen, eine Herangehensweise oder eine Erfahrung vermitteln. Die Theaterstücke sind im Zusammenhang mit Lernzielen inszeniert und ausgewählt, die theatralischen Mittel werden so eingesetzt, dass die Theatererfahrungen (Sehen, Hören, Empfinden) Lernerfahrungen nach sich ziehen.

Eine Projektgruppe, die ein Theaterstück erarbeitet, setzt zwar auch auf theatralische Mittel, es stehen aber Selbst- und Gruppenerfahrungen im Vordergrund. Der Weg zur Aufführung ist wichtiger als das fertige Theaterstück und die Inszenierung ist gezeichnet von der Integration aller Teilnehmenden. Die Aufführung dient vordergründig dem Zweck, das Projekt (erfolgreich) abzuschliessen und wird in der Regel danach nicht mehr aufgeführt.

   "Profis spielen immer dasselbe Programm vor verschiedenem Publikum, Amateure spielen immer neue Programme vor demselben Publikum" (Holländischer Showmaster)

Wenn man die jeweiligen Kritikpunkte betrachtet, eine Theateraufführung anzusehen sei nur passives Konsumieren, oder die Überlegung, dass ein von Kindern selbst entwickeltes Programm sich begrenzt in ihrem eigenen Erfahrungsbereich abspielt, und neue Impulse verpasst, legt den Gedanken nahe, sich den Mischformen zu widmen: Theateraufführungen mit interaktiven Elementen und Theaterkurse mit professionellem Produktionsansatz.

Wir wollen die Möglichkeiten erörtern, die Theater in der Schule bietet, verschiedene Theaterformen beleuchten, Inhalte von Theaterstücken diskutieren und uns mit den Mitteln beschäftigen, die Theater – nicht nur in der Schule – bietet, um das auszubauen, was Theater ausmacht: Authentisches Erleben, lebendiges Spiel und ein bewegtes Lernen.

2. Unsere Theatergeschichten: Märchen im Wandel der Zeiten

Heinrich, der Wagen bricht... (aus: Froschkönig oder der eiserne Heinrich)

Märchen haben einen hohen Bekanntheitsgrad, sie sind allgegenwärtig und werden oft zitiert. Mitunter sind sie auch als piefig und moralisch verschrien oder - wie Kinder sagen: "Uncool". Und doch – zum Beispiel in der Fassung der Brüder Grimm – werden sie als Kulturgut hochgelobt. Wie kommt es zu diesem Widerspruch?

2.1 Literatur, bevor es Literatur gab

Viele Märchen kursierten schon lange, bevor es Bücher und Schriftstücke gab. Auf den Marktplätzen und in den Gasthäusern, aber auch bei Hofe hörte man den Bänkelsängern und Geschichtenerzählern zu. Das fahrende Volk pflegte seit jeher die Erzählkunst und orientierte sich an der Lebenswirklichkeit der Zuhörer. So wurde zur Zeit der Leibeigenschaft oft der Hunger oder - das Gegenteil - Überfluss von Essen thematisiert (Hänsel und Gretel, Tischlein deck Dich). Der Anthropologe Jamshid J. Tehrani, und die Völkerkundlerin Sara Graça da Silva untersuchten 2000 Märchentypen aus 200 Gesellschaften. Sie konnten Märchenwurzeln bis in die Bronzezeit zurückverfolgen und stellten Verbindungen zur Verbreitung der indogermanischen Sprachen her.

2.2 Wie hier so da

In Italien war es unter anderem Giambattista Basile, der Märchen aufschrieb. Viele seiner Geschichten sind den uns bekannten Märchen sehr ähnlich, auch wenn die mitunter etwas derbe Sprache verschrecken mag.
Basile lebte früher als die Grimm Brüder, um 1600, hundert Jahre später schrieb der Franzose Charles Perrault Märchen auf und passte sie dem Geschmack des damaligen französischen Publikums an. Seine Erzählungen von Rotkäppchen, dem gestiefelten Kater und Dornröschen gelten als Vorlage für die Versionen der Gebrüder Grimm. Die waren in Deutschland aber nicht die einzigen, die mündlich überlieferte Geschichte aufschrieben. Ludwig Bechstein hat in seinem Deutschen Märchenbuch 80 Märchen aufgeschrieben, viele von denen sind allgemein bekannt und es ist interessant, Unterschiede zu den gängigen Versionen (Aschenbrödel statt Aschenputtel) zu entdecken.
Der Volkskundeprofessor Antti Aarne veröffentlichte 1910 sein Verzeichnis der Märchentypen, das heute als Aarne-Thomson-Index in der vergleichenden Märchenforschung eine grosse Bedeutung hat. Jedes Märchen liesse sich einem seiner 2411 Märchentypen zuordnen, so heisst es. Katalogisiert wird nach Märchengenre (Fabel, Zaubermärchen...) Märchenfiguren und Märchenmotiven. Vom Märchen Aschenputtel beispielsweise gäbe es weltweit circa 2.000 Fassungen, die Fachwelt spricht vom »Cinderella-Cycle«.

2.3 Wie innen so aussen

Wer nun meint, die Geschichten seien aus der Zeit gefallen und die Thematik unsozial, der verkennt, dass die äusseren Gestalten der Märchen Bilder von inneren Konflikten sind. Triebe und Instinkte erscheinen als Tiere, die Handlung zeigt zwar die gegenständliche Aussenwelt, ist aber als Innengeschehen zu verstehen. Märchen gleichen Dramen, die sich im Inneren abspielen. Wenn der Konflikt gelöst ist, die Lektion gelernt, erhält der/die MärchenheldIn als König oder Königin Einzug ins Schloss - ein Sinnbild für ein erwachsenes Leben.

2.4 Hausmärchen und Kunstmärchen

Märchen, das Wort stammt vom mittelhochdeutschen maere (= Kunde, Bericht, kurze Erzählung) ab, meint zunächst die Kategorie der Volksmärchen. Einfache Sprache, einsträngige Handlung und eindimensionale Charaktere zeichnet die mündlich überlieferten Erzählungen aus. Aber schon mit den Brüdern Grimm, die die Geschichten dramaturgisch (und auch moralisch) veränderten, begann das Zeitalter der Kunstmärchen. Diese explizit geschaffene Literaturform bezeichnet schriftlich fixierte Werke von Autoren, die sich Märchenfiguren und -motiven bedienten. Bekannte Kunstmärchenverfasser sind Hans Christian Andersen und Wilhelm Hauff.

2.5 Unsere Erfahrungen mit Märchen

Unsere Märchenaufführungen erfreuen sich grosser Beliebtheit. Schon im Vorfeld der Aufführung gibt es Spekulationen, wie die eine oder andere Situation aus dem Märchen wohl theatralisch umgesetzt wird. Mit dieser Erwartungshaltung zu spielen, die Inszenierungen danach auszurichten und dort Überraschungen zu platzieren ist ein wichtiges Element unseres Theaters. Und obwohl Abläufe und Figuren und auch der Ausgang des Plots ja bekannt sind, die Zuschauer sind gefesselt vom Geschehen auf der Bühne. Wir erleben während unserer Vorstellungen eine Freude darüber, die Bilder zu vertrauten Erzählungen nun zu sehen, die Geschichte in einem anderen "Move" zu erleben und schliesslich eine Erleichterung über Erlösung (auch wenn sie absurd ist: nach dem Gefressen-werden aus dem Bauch herausgeschnitten) zu erleben, die vermitteln mag: Konfliktlösungen sind möglich - auch aus scheinbar ausweglosen Situationen gibt es Auswege.

3. English theatre

Ein Teil unserer Gastspiele in Schulen findet in englischer Sprache statt. Märchen eignen sich, weil die Geschichten allgemein bekannt sind, hervorragend für den Englischunterricht. Unsere Übersetzungen sind so konzipiert, dass mithilfe von 20 Vokabeln das Theaterstück verstanden werden kann. Wir stellen vorab umfangreiches Begleitmaterial zur Vorbereitung im Unterricht mit Vokabeln, Bildkarten, Musik und Arbeitsblättern.

3.1 Märchen als didaktische Methode

Englisch in der Grundschule orientiert sich an kindgerechten Themen: me, my friends and family, animals, at home, colours. Oft wird im Zuge des Englisch Unterricht auch der Alltag von Schulkindern aus englischsprachigen Ländern skizziert. Der Professor für Englischdidaktik Heiner Böttger bringt aber auch die nötige Authentizität mit ins Spiel: Die Sprache sollte "echt" klingen, damit es den nötigen Motivationseffekt hat, "der Spracherwerb ist der Wirklichkeit verpflichtet". Märchen stellen plakative Lebenssituationen nach und nutzen authentische Dialoge. Wir erleben, wie gefesselt die Kinder unseren englischen Vorstellungen und besonders den (konfliktbeladenen) Dialogen beiwohnen.

3.2 Viele Lehrpläne, trotzdem Parallelen?

Weil Schulunterricht in Deutschland Ländersache ist, gibt es auch zum Englischunterricht in Grundschulen sechzehn Lehrpläne. In einigen Bundesländern ist die englische Sprache bereits ab dem ersten Schuljahr vorgesehen (NRW), andere steigen ab der dritten Klasse ein. Allgemein üblich ist ein spielerischer Einstieg in die Fremdsprache über Spiele, Musik und Bilder, Ziel ist zunächst das Hör- und Sehverstehen, vertiefende Grammatik wird vorerst ausgeklammert. Wir nehmen grosse Unterschiede an der Ausprägung des Englischunterrichtes an den Schulen und in den Regionen wahr. Ob und wie der Einstieg ins Englische an der Grundschule gelingt, hängt sicherlich auch von dem Engagement der Beteiligten ab.

3.3 Entertaining kids or children?

Das amerikanische und das britische Englisch weisen einige Unterschiede auf. Während das britische (Oxford) Englisch üblicherweise Massstab für den Englisch Unterricht war, ist uns das amerikanische Englisch durch Medien und Kultur oft vertrauter. Mit dem Anspruch, eine lebendige Sprache zu zeigen, ist es angemessen, umgangssprachliche (bekannte) Formulierungen einfliessen zu lassen. Auch Dialekte und ungewöhnliche Aussprache helfen beim Theaterspiel. Es gilt, eine Sprachkultur zu etablieren, die ausserhalb von Lehrbuch und Lektion existiert.

3.4 Begleitmaterial – Zugang zu mehr?

Das Begleitmaterial zu unseren englischen Theaterstücken (Begleitmaterial: The brave tailor - Seven at once) enthält - neben Bildkarten für die 20 Grundvokabeln - Arbeitsblätter, ein Comic und Lieder aus den Theaterstücken. Das Begleitmaterial gliedert sich in drei Lernstufen (Beginners, Advanced; Experts) und wird per download zur Verfügung gestellt. Die Nutzung ist unterschiedlich, mitunter wurde das Begleitmaterial offensichtlich nicht genutzt, bei anderen Aufführungen konnten die Kinder die Lieder auswendig mitsingen. Die Herangehensweise ist unterschiedlich, wir möchten mit dem Begleitmaterial ein unverbindliches Angebot, aber auch eventuell benötigte Hilfestellung geben.

4. Wie IST Theater in den Schulen (aus der Sicht der Schulen)

Natürlich hängt es von der Situation vor Ort und vor allem vor dem Lehrpersonal ab, ob und wie Theater in Schulen stattfindet

4.1 Lehrpläne über Theater, darstellendes Spiel und Märchen

Übereinstimmend in den bundesdeutschen Lehrplänen für Grundschulen wird ein Lese- und Schreibverstehen und in der Folge eine Erzähl- und Gesprächskultur angestrebt, zumeist auf der Grundlage von Märchen, Fabeln und Geschichten aus dem kindlichen Erlebnisraum. "Die Schülerinnen und Schüler können sich mit literarischen Figuren und deren Lebensformen identifizieren, sich davon distanzieren und eine eigene Haltung einnehmen" (Grundschullehrplan Niedersachsen)
Umfassende Vorschläge zur Theaterarbeit mit Grundschülern finden sich explizit in den Lehrplänen von Sachsen, aber auch in Hessen oder Thüringen oder dem länderübergreifenden Lehrplan für Berlin, Brandenburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern.
Es geht sowohl ums Planen eines "längerfristigen" Theaterprojektes, die Auswahl des Genres (Puppentheater, Pantomime, Spielszenen), des Bühnenbildes und der Requisiten als auch um das Theaterspiel an sich, um die Fähigkeit, Dialoge lebendig zu füllen, mit Sprache und Stimme zu spielen und andere Perspektiven einzunehmen.

4.2 Drei Lehrkräfte erzählen

Als Theatergruppe haben wir - wie kann es anders sein - überwiegend Kontakt zu Schulen, die Theater (Aufführungen oder Projekte) im Schulalltag integriert haben.
Frau K. - mittlerweile pensionierte Lehrerin aus Schneverdingen - erinnert sich noch an Zeiten, als Theater in der Schule nicht stattfand. Man setzte auf den klassischen Frontalunterricht, allenfalls Sport war als schulische Aktivität ausserhalb von Tafel und Pult akzeptiert. Eventuelle Aufführungen zur Weihnachtszeit wurden wie selbstverständlich in der Freizeit vorbereitet und geprobt. "Ich freue mich, dass sich das geändert hat, die Kinder sollen ja das Leben in allen Facetten kennenlernen."
Frau P. aus Soltau führt alljährlich ein Theaterprojekt an ihrer Grundchule durch. "Es ist nicht immer reines Theater, mittlerweile machen wir auch Videoprojekte oder führen eine Revue auf. Wichtig ist mir, dass die Kinder etwas selbst entwickeln und mit der Aufführung auf ein gemeinsames Ergebnis hinfiebern."
Das Kollegium von Herrn S. in Hamburg entwickelt alljährlich ein Theaterstück, das von den Lehrern für die eigenen Schülern aufgeführt wird. "Die Kinder sind begeistert - sie erleben uns in ungewohnten Rollen, erschrecken über Gefühlsausbrüche, die sie aus dem Unterricht nicht kennen oder freuen sich über unbekannte komödiantische Talente von Kollegen. Unsere Theaterprojekte geben uns die Möglichkeit, uns einmal zu verkleiden und in einem geschützten Rahmen eine verrückte Seite nach aussen zu kehren. Das kommt dann auch der Athmosphäre im normalen Unterricht zugute."

4.3 Drei Schüler erzählen

Obligatorische Fragen nach einer Theateraufführung sind: Wie zieht ihr Euch so schnell um? Wie funktioniert der Zaubertrick? Habt ihr Euch wirklich geküsst? Oder auch: Wie lange habt ihr geprobt?
Uns interessiert, wie die Kinder Theater im Schulalltag wahrnehmen. C. aus Schwerin sagt: "Hier gibt es einmal im Jahr eine Theateraufführung. Am besten gefiel mir die kleine Hexe mit der E-Gitarre". An vielen Schulen gibt es regelmässige Theateraufführungen, mitunter im Wechsel mit einem Theaterprojekt. "In diesem Jahr spielen wir selber Theater, ich bin der Baum." erzählt P. aus Elmshorn.
Oft werden Zirkus- oder Revueaufführungen als Theaterprojekt veranstaltet. Ein Nummernprogramm ist, weil nicht zwingend eine Geschichte erzählt werden muss, niederschwelliger und kann als Einstieg in Theaterarbeit mit Kindern genutzt werden. "Wir haben einmal in der Woche Zirkus als Unterricht" sagt R. aus Hannover, "vor den Sommerferien machen wir dann eine grosse Aufführung."

4.4 Theaterprojekte in Schulen

Theaterprojekte an Schulen finden in unterschiedlicher Ausprägung statt. Da ist es die jährliche, obligatorische Weihnachtsaufführung, dort ist es ein eigenes Unterrichtsfach mit regelmässigen Aufführungen im Schulalltag. Inwieweit Text, Szenen und Plot eines Theaterprojektes schon vor Beginn feststehen oder erst während des Projektes entstehen, hängt von den Durchführenden ab. Die Betrachtung verschiedener Theaterprojekte aus der Vergangenheit zeigen das Spannungsfeld zwischen Vorgabe und Improvisation. Hier mag der Mittelweg die beste Lösung sein. Oder mit den Worten einer Lehrerin: "Es ist gut, wenn man vorher ein paar Steine in den Fluss legt."

5. Wie IST Theater in den Schulen (aus der Sicht der Theater)

5.2 Neue Theaterformen

ähnlich wie Frontalunterricht in der Schule wird heute die klassische Theaterform mit ihrer Abgrenzungen von Publikum und Akteuren oft als überholt und nicht mehr zeitgemäss kritisiert. Andere Theaterformen, Performances und Inszenierungen, die den Bühnenraum verlassen bieten dem Zuschauer Alternativen, überraschen und fordern das Publikum heraus. Für experimentierfreudige Schultheaterprojekte, bei denen Schüler als Akteure innovative Darstellungen probieren und eigene Erfahrungen machen sind neue Theaterformen eine interessante Option, benötigen aber auch eine kundige Anleitung, da die neue Form bei den Teilnehmern erst etabliert werden muss. Für Theateraufführungen ist die klassische Form vorzuziehen - oftmals sind Theateraufführungen ohnehin schon ungewöhnliche und neuartige Erfahrungen, für viele Grundschulkinder sind es die ersten Berührungen mit Theater. Experimentelle Formen bergen das Risiko, nicht verstanden zu werden und zu überfordern.

5.3 Klassische Theaterformen

Früher wurde dem Volk Theater auf Jahrmärkten und Plätzen dargeboten. Das Publikum kam zufällig zusammen, gestaltete die Vorstellung oft mit (durch Zwischenrufe) und konnte die Vorstellung ohne viel Aufsehen wieder verlassen. Die heutigen Strassenshows nutzen die Unverbindlichkeit und die Magie des Spontanen in ihren Kreisshows. Aufgrund der Coronakrise und den Abstandsgeboten kommt eine open-air-Veranstaltung, inszeniert als Strassentheater auf dem Schulhof in Betracht. Auch im Zuge der (in einigen Lehrplänen vorgesehenen) Vermittlung alter Theaterformen wie Bänkelgesang und Moritate bietet sich die Form des "Schulhoftheaters" an. Unterstützen könnte diese Form eine Ausstattung mit klassischen Instrumenten, die dieses Genre prägen wie Drehorgeln, Trommeln und Fanfaren.

5.4 Elemente der Theatermusik (über die Möglichkeiten von Theatermusik)

Musik ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil der Bühnenkunst, aber auch der kindlichen und jugendlichen Entwicklung. Der Einsatz unterschiedlicher, auch populärer Musikstile, hat sich bei den Märchentheaterinszenierungen bewährt. Im Vorfeld werden im Rahmen des Begleitmaterials die Lieder zur Verfügung gestellt, dazu playback-Versionen, die ein Nachsingen, oder - ein bisschen ansprechender formuliert - Karaoke ermöglichen. Damit wird den Zuschauern eine aktive, selbsterfahrende Vorbereitung auf die Aufführung ermöglicht. Je nach Gestaltung des Unterrichtes ist das ausbaubar: durch Lesen mit verteilten Rollen (oder auch frei formuliert), kombiniert mit gesungenen Liedern anhand des vorliegenden Materials, vielleicht mündend in einer Audioaufnahme, kann im Vorfeld der geplanten Theateraufführung ein "Theaterprojekt-light" entstehen.

6. Aussichten: Vor- und Nachprogramm

Eine Theateraufführung kann Anlass zu einem umfassenden, fächerübergreifenden Schulprojekt werden - eine Vision:

Im Kunstunterricht...

...können Plakate und Eintrittskarten erstellt werden

Die Mediengruppe...

...verfasst eine Ankündigung der Veranstaltung für den Schulserver oder die Schülerzeitung

Die Technikgruppe...

...kontaktiert die Theatergruppe und plant Verkabelung, technische Abläufe und Sicherheitsmassnahmen

Im Englischunterricht...

...wird anhand des Begleitmaterials mit Vokabeln und Handlungsabläufen vertraut gemacht (die älteren Schüler unterweisen die Jüngeren)

Am Aufführungstag...

...kümmert sich ein Veranstaltungsteam um Einlass, Organisation der Sitzplätze, Künstlerkontakt und Ansage

Die Theater-AG...

...zeigt in den Pausen der Aufführung Werbe- oder Infoeinheiten

Im Deutschunterricht...

...werden Interviews entwickelt, die im Anschluss an die Vorstellung mit den Schauspielern geführt werden

Weitere Aktivitäten könnten hinzu kommen, die Gestaltung einer fächerübergreifenden Theateraufführung orientiert sich an den Möglichkeiten der Schulen und der Motivation der Beteiligten.

7. Schlussbetrachtungen

Unsere Forschung war überschattet durch die Coronakrise. Geplante Aufführungen in Schulen, Recherchen "vor Ort" - konnten leider nicht stattfinden - ebenso wie Theaterprojekte, die derzeit landesweit auf Eis liegen.
Zunächst gilt es abzuwarten, bis die Situation sich soweit normalisiert, dass Theater an Schulen wieder stattfinden kann. Um auf die derzeitigen Einschränkungen reagieren zu können, sind gekürzte Inszenierungen (für kleinere Gruppen) und outdoor-Aufführungen für den Schulhof geplant.
Theater bringt Bewegung in die Schule, Theater ist Lernen in Bewegung. Im Theater wird der gesprochene Text mit Mimik und Gestik in Zusammenhang gebracht, die Bedeutung und Wirkung der gesprochenen Worte werden im Untertext erfasst. Insofern vermittelt Theater eine analoge Kompetenz und bietet - ähnlich wie der so geschätzte Sportunterricht - ein Gegengewicht zu heutigen digitalen Anforderungen.
Generell besteht von Lehrer-, Schüler- und Elternseite ein grosses Interesse an mehr Theater in Schulen. Nutzen wir also die allseitige Akzeptanz um das an die Schulen zu bringen, was Theater ausmacht:
Ein Live-Erlebnis zwischen Akteuren und Zuschauern, das seinen Charme aus der Einmaligkeit der Situation bezieht und somit eine Metapher für das Leben an sich ist.

8. Literatur

Elschenbroich, Donata: Weltwissen der Siebenjährigen, Goldmann 2002, München
Ewers, Hans-Heino: Seit wann brauchen Kinder Märchen, Televizion 2016
Flemming, Irene: Darstellende Spiele für Grundschulkinder, Grünewald Verlag 1998, Mainz
Geiger, Rudolf: Maerchenkunde: Mensch und Schicksal im Spiegel der Grimmschen Märchen, Urachhaus 1982, Stuttgart
Grimm, Jakob und Wilhelm: Kinder- und Hausmärchen, Artemis & Winkler 1991, München
Grimm, Jakob und Wilhelm: Irische Elfenmärchen, Anaconda 2015, Köln
Grimm, Jakob und Wilhelm: The Complete Fairy Tales of the Brothers Grimm, Wordsworth Editions 2009, Hertfordshire
Lenz, Friedel: Bildsprache der Märchen, Urachhaus 1988, Stuttgart
Lüthi, Max: Märchen, J.B. Metzler 1996, Stuttgart
Meyer, Rudolf: Die Weisheit der deutschen Volksmärchen, Urachhaus
Miller, Norbert und Apel, Friedmar: Feenmärchen, Patmos 2005, Düsseldorf
Neuhaus,Stefan: Märchen, Francke 2005, Tübingen, Basel
Patrick Primavesi/Jan Deck (Hg.): Stop teaching, transcript 2014, Bielefeld
Uzunoglu-Ocherbauer, Adelheid: Türkische Märchen, Fischer 1997, Frankfurt
Wachinger, Helga und Kristof: English Fairy Tales zweisprachig, dtv 1980, München
Wienker-Piepho, Sabine: Märchen und ihre Pendants in aller Welt, Televizion 2016, Jena


Dieses Forschungsprojekt wurde gefördert von den Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.



Die Verfasser, Helmut Ferner und Annette Ruhland, bedanken sich herzlich für die Unterstützung.

Fintel, im Mai 2021

 

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